Wer nicht sehen kann, muss hören: Was uns Geräusche über Temperatur verraten

Warum_klingt_heisses_Wasser_anders_als_kaltes

Haben Sie sich schon einmal gefragt, ob heißes Wasser beim Einschenken anders klingt als kaltes? Wahrscheinlich eher nicht.

Es mag Sie daher überraschen, dass laut einer Studie der chinesischen Physiker Xiaotian Bi, Dike Su und Qianyun Zhou, ein Großteil der Menschen tatsächlich in der Lage ist, zwischen dem Klang von heißem und kaltem Wasser zu unterscheiden. Diese Erkenntnis wirft neues Licht auf die komplexe Natur unserer auditiven Wahrnehmung und die erstaunlichen Fähigkeiten des menschlichen Gehörs.

Die Wissenschaft hinter dem Phänomen

Die dem Phänomen zugrunde liegende Physik erklären die Wissenschaftler grob folgerndermassen:

  • Heisses Wasser emittiert beim Eingiessen einen höheren Anteil tiefer Frequenzen und einen geringeren Anteil hoher Frequenzen,
  • Kaltes Wasser produziert dagegen vermehrt hohe Frequenzen und weniger tiefe Frequenzen

Der vom Wasser ausgehende Klang entsteht dabei hauptsächlich durch Schwingungen der Wasseroberfläche, welche wiederum durch aufplatzende Luftbläschen, die von unterhalb der Wasseroberfläche aufsteigen erzeugt werden. Dazu kommen natürlich noch die Schwingungen des Gefässes und der umgebenden Luft. Heisses Wasser produziert dabei größere Bläschen (tiefere Frequenzen), während kaltes Wasser kleinere Bläschen (höhere Frequenzen) produziert.

Wissenschaftlich und präzise ausformuliert heisst das:

„We conjecture that the Minnaert resonance arising from
these larger entrained bubbles in hot water produces a lower-frequency acoustic signature, thereby constituting the foundational mechanistic explanation for the auditory distinction between pouring hot and cold water.“

Anmerkung: Die Minnaert Resonanz beschreibt die Frequenz des Geräuschs, welches ein Wassertropfen erzeugt, der in Wasser fällt.

Xiaotian Bi konnte in einer ersten Studie beweisen, dass Erwachsene die Temperatur von Wasser anhand des Geräusches beim Eingießen erstaunlich genau beurteilen können. Dieses Phänomen ist ein Beispiel für unsere Fähigkeit, Ereignisse in der Umwelt unbewusst mit den Geräuschen zu verbinden, die wir hören.

Angeborene oder erlernte Fähigkeit?

Stellt sich nun die Frage, ob dieses „Talent“ uns in die Wiege gelegt wird, oder ob wir es zuerst erlernen müssen… Es gibt bisher keine definitiven Studien, die das genaue Alter angeben, in dem Menschen diese Fähigkeit entwickeln. Manche Menschen könnten jedoch von Natur aus sensibler für bestimmte akustische Unterschiede sein und diese Fähigkeit daher leichter entwickeln. Dazu gibt es natürlich bestimmt auch einige Personen, auf die das gar nicht zutrifft.

Wahrscheinlich ist jedoch, dass diese Fähigkeit durch wiederholte Erfahrungen beim Umgang mit Flüssigkeiten geschärft wird. Menschen, die häufig mit Flüssigkeiten unterschiedlicher Temperaturen arbeiten (z.B. Köche, Barkeeper), könnten diese Fähigkeit besser ausgeprägt haben.

Praktische Anwendungen

Das Verständnis, wie wir Wassertemperaturen hören können, hat potenzielle Anwendungen in verschiedenen Bereichen. Von der Entwicklung fortschrittlicher Audiotechnologien bis hin zu neuen Methoden in der Sensorik und Wahrnehmungspsychologie eröffnet dieses Phänomen spannende Forschungsmöglichkeiten. Aber auch im Sounddesign, Audiobranding und verschiedenen interdisziplinären Gebieten werden sich in der Zukunft hoffentlich weitere Anwendungsfälle ergeben.

Fazit

Die Fähigkeit, Wassertemperaturen zu hören, unterstreicht die Komplexität unserer Sinneswahrnehmung. Sie zeigt, wie eng unsere Sinne miteinander verwoben sind und wie das Gehirn subtile Informationen aus unserer Umgebung verarbeitet. Während wir weiterhin die Geheimnisse unserer Wahrnehmung erforschen, erinnert uns dieses Phänomen daran, wie viel es noch über die erstaunlichen Fähigkeiten des menschlichen Körpers und Geistes zu entdecken gibt.

Kommentar verfassen

Entdecke mehr von Vellocet Audio

Jetzt abonnieren, um weiterzulesen und auf das gesamte Archiv zuzugreifen.

Weiterlesen